Die Freiheit, die ich meine ist ein gendersensibles Bildungs- und Empowerment-Projekt. Unsere Zielgruppe sind mehrheitlich muslimische Mädchen* und Jungen*, die von Mehrfachdiskriminierung  betroffen sind.
Zusätzlich haben wir Angebote für Eltern und bilden pädagogische Fachkräfte zu den Themen Islam und Antimuslimischer Rassismus im Schulkontext fort.
Wir sind Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus sowie bei CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit.
Workshopreihen mit Schülerinnen und Schülern

Wir bieten im Rahmen von Die Freiheit, die ich meine kostenlose gendersensible Workshopreihen an Berliner Schulen an. Unser Ziel ist es, muslimischen und muslimisch gelesenen Mädchen* und Jungen* mit Migrationsgeschichte, ein positives Selbstwertgefühl zu vermitteln und sie bei ihrer Suche nach Identität und Zugehörigkeit zu unterstützen.

In unseren Workshops schaffen wir eine vertrauensvolle Atmosphäre, um über aktuelle Themen und Fragestellungen in Bezug auf Identität, Religion, Geschlecht und das gesellschaftliche Zusammenleben zu sprechen.

Themen der Workshopreihe

  1. Identitätsfindung & Kennenlernen
  2. Vorurteilsbewusstsein & Antidiskriminierung
  3. Religionen & Vielfalt im Islam
  4. Geschlechterrollen & -gerechtigkeit
  5. Kinderrechte
  6. Klassismus
  7. Politik & Partizipation

 

Die Lebenswirklichkeit sowie die eigenen Erfahrungen der Schüler*innen stehen im Mittelpunkt des Workshops. Wir regen Kennenlern-, Lern-, Selbstreflexionsprozesse an. Mit innovativen und interaktiven Methoden aktivieren wir alle Sinne und motivieren zum Mitmachen.

Gespräch mit Rolemodels

Regelmäßig laden wir auch positive Vorbilder aus Politik und Gesellschaft in unsere Workshops ein. Die meisten Rolemodels haben eine Migrationsgeschichte und können die aktuellen Herausforderungen der Jugendlichen leicht nachvollziehen. Die Jugendlichen freuen sich, interessante Persönlichkeiten außerhalb von Familie und Schule kennenzulernen.

Stadtteilmütter gehen in die Familien vor Ort und haben direkten Zugang und Einfluss auf das soziale Umfeld von jungen Muslim*innen. Deshalb haben wir für Stadtteilmütter und auch für Väter in Berlin eine kostenlose Fortbildungsreihe zur politischen Bildung entwickelt, da wir sie als wichtige Multiplikator*innen ansehen. Die Fortbildung bieten wir auch für Eltern an, die regelmäßig Familienzentren in ihrem Kiez aufsuchen.

In mehreren Seminaren widmen wir uns ähnlichen Themen wie in der Workshopreihe für Schüler*innen: Vorurteile und Antidiskriminierung, Religionen, antimuslimischer Rassismus , Geschlechtergerechtigkeit, Kinderrechte und politische Teilhabe. Mit praktischen Übungen schärfen wir ihren Blick für gesellschaftliche Prozesse und stärken ihre Kompetenzen für ein demokratisches und friedliches Miteinander in der Schule und im Kiez. Am Ende erhalten die Teilnehmenden ein Zertifikat.

Unsere erfahrenen Bildungsreferent:innen bieten Fortbildungen zu den Themen Antimuslimischer Rassismus, Umgang mit Religiosität an Schule sowie für den Umgang mit dem Israel-Palästina-Konflikt in Klassen an.  Mehr Informationen zu den Inhalten und Rahmenbedingungen finden Sie hier.

Nachschau: Wie neutral sollten Schulen in Bezug auf Religionen sein?

Passend zur Vorweihnachtszeit hat unser Projekt „Die Freiheit, die ich meine“ am 13.12.2024 einen Fachaustausch unter der Fragestellung „Wie neutral sollten Schulen in Bezug auf Religionen sein?“ durchgeführt. Denn obwohl religiöse Vielfalt vielerorts zum Alltag gehört, wird die Sichtbarkeit von Religionen in öffentlichen Schulen aufgrund der staatlichen Neutralität weiterhin sehr kontrovers diskutiert.

Mit pädagogischen Fachkräften und dem Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Felix Hanschmann diskutierten wir folgende Fragen: Sollte es angesichts der steigenden kulturellen und damit auch religiösen Pluralität in der Gesellschaft mehr Raum für religiöse Anschauungen in der Schule geben oder gerade keinen? Wie sieht es mit dem (nicht) religiösen Bekenntnis von Lehrkräften aus? Was heißt in diesem Zusammenhang eigentlich „Neutralität“?

Herr Hanschmann erklärte zu Beginn, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern wie zum Beispiel Frankreich, Staat und Religion nicht scharf voneinander trenne. Vielmehr zeige sich der deutsche Staat offen gegenüber Religionsausübung („offene Neutralität“), in dem er Religionsausübung in staatlichen Einrichtungen und die Kooperation mit Religionsgemeinschaften grundsätzlich zulasse. So ist etwa konfessioneller Religionsunterricht mit Ausnahme von Bremen, Berlin und Brandenburg ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen.

Darüber hinaus werde die weltanschaulich-religiöse Neutralität allgemein als Grundprinzip staatlichen Handelns verstanden. Allerdings existiere dazu keine explizite Regelung für die Schule im Grundgesetz. Wenn überhaupt bestünden fragmentarische Regelungen in den Landesverfassungen und Schulgesetzen der einzelnen Bundesländer.

Auf die Frage „Was heißt denn nun Neutralität der Schule?“ gibt es daher keine klaren Antworten, so Hanschmann. Gerade in Bezug auf Schule sei der Begriff sehr unklar. Sein Vorschlag ist, den Neutralitätsbegriff durch normative Bezugspunkte in einzelnen Gesetzen möglichst zu konkretisieren. Zum Beispiel durch den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag im Grundgesetz Art. 7 I; durch Grundrechte von Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern im Grundgesetz Art. 2 I, 3, 4 I und II, 5 I 1, 6 II 1; durch die Bildungs- und Erziehungsziele der Schule im Berliner Schulgesetz § 1 Satz 2 und 3, § 3 III 3 sowie durch arbeits- und beamtenrechtliche Regelungen. Darüber hinaus sei der Beutelsbacher Konsens ein wichtiger Bezugspunkt.

Den verschiedenen Bezugspunkten zufolge muss der Staat ausgewogen und sachlich handeln, wenn es um religiöse und ideologische Ansichten geht, so Hanschmann. Man dürfe nicht vergessen, dass die Schule durch die Schulpflicht ein Ort sei, an dem unterschiedlichste Menschen aufeinandertreffen und sich dagegen nicht zur Wehr setzen können. Nach Artikel 4 des Grundgesetzes sind alle Akteur*innen – Kinder, Eltern und Lehrkräfte – Träger*innen der Religionsfreiheit. Alle unterschiedlichen Auffassungen zu Religion, die im Klassenraum vorhanden sind, müssten daher ausgewogen behandelt werden. Dies verlange von Lehrkräften Offenheit und Toleranz sowie einen verantwortungsvollen Umgang mit ihrer Machtposition. Lehrkräfte dürften aufgrund abweichender Überzeugungen nicht schlechter bewerten. Sie dürfen auch nicht missionieren oder indoktrinieren. Wenn zum Beispiel christliche Bezüge z.B. in Liedern oder Geschichten vorkommen, müssten diese in der Weise „durchsäkularisiert“ sein, dass sie für die Schüler*innen auf keinen Fall ein Bekenntnis zu einem bestimmten Glauben abfordern. Das heißt nicht, so Hanschmann, dass Lehrkräfte ihre eigenen Ansichten und Meinungen verleugnen müssen, diese müssen sie aber als solche ausweisen und zur Disposition stellen.

Denn es sei ja gerade das Erziehungsziel aller deutschen Schulgesetze, dass die Schulen Persönlichkeiten heranbilden, die sich eine Meinung bilden, Informationen selbstständig bewerten und ggf. widersprechen können.

Vor diesem Hintergrund ist Schule niemals neutral und abgeschirmt gegenüber Konflikten, die auch in der Gesellschaft bestehen, so Hanschmann.

Viele der anwesenden Lehrkräfte bestätigten, dass es für das pädagogische Handeln durchaus gewinnbringend ist, authentisch zu sein und mit den Schüler*innen auch persönlich zum Thema Religion ins Gespräch zu gehen. Außerdem übersieht ein laizistisches System völlig die Lebensrealität junger Menschen, so ein Teilnehmer, und übergeht die vielfältigen Funktionen, die Religiosität für Menschen erfüllt. Es habe zudem großes Explosionspotenzial, da es einen Lebensbereich ausblende, der vielen Menschen wichtig sei.

Herr Hanschmann fügte hinzu, dass die innere Dimension der staatlich garantierten Religionsfreiheit – individuell zu glauben oder nicht zu glauben – so gut wie nie juristische Streitfälle auslöst. Vielmehr biete die externe Dimension – die Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten – Konfliktpotential.

Das sah man zum Beispiel an dem Fall eines Berliner Schülers, der in der Schule außerhalb der Unterrichtszeit gebetet hat, was grundsätzlich von der Religionsfreiheit gedeckt ist. Ihm wurde das Beten in der Schule jedoch verboten und seine Revision vom Bundesverwaltungsgericht mit der Begründung einer Gefährdung des Schulfriedens abgelehnt. Begründet wurde das Urteil damit, dass es an der besagten Schule zuvor schon seit Längerem Konflikte innerhalb der Schüler*innenschaft gegeben habe, bei der Religion zumindest als Treiber für diese Spannungen ausgemacht wurde. Das Urteil findet Herr Hanschmann problematisch, da hier ein Grundrechtsträger aufgrund des störenden Verhaltens Dritter sanktioniert wurde. Zudem sei der Begriff „Schulfrieden“ unbestimmt und könne ein fragwürdiges Eigenleben entwickeln, mit dem sämtliche missliebige Verhaltensweisen von Schüler*innen untersagt werden könnten.

Auf die Frage einer Lehrerin, warum ein Kopftuch erlaubt, aber eine Kette mit Kreuz für Lehrkräfte verboten sei, antwortete Herr Hanschmann, dass es auf die Größe des Kreuzes und dessen „überwältigende“ Wirkung auf die Schüler*innen ankommt. Die Schulleitung oder die Schulaufsicht könne dieses dann unterbinden. Aber wenn eine Lehrkraft argumentiere, dass sie es aus religiöser Verpflichtung trägt, dann reiche dies für den Grundrechtsschutz aus. Entscheidend sei auch hier das pädagogische Verhalten der Lehrkraft. Solange diese nicht missionierend oder einseitig auftrete, könne man ihr den Zugang zum Schuldienst nicht verweigern. Schüler*innen hingegen sei das Tragen religiöser Symbole aufgrund der Religionsfreiheit immer erlaubt.

Letztendlich, so Hanschmann, sei die Realität in den Schulen viel komplizierter als eine trockene juristische Betrachtung. Diese Komplexität in ein Regelsystem zu gießen, sei sehr schwierig. Vielmehr sei eine Offenheit und ein gegenseitiger Austausch in der pädagogischen Praxis wünschenswert.

Auch wenn gesellschaftliche Konflikte so eher sichtbar würden, beinhalte das die Chance, diese bearbeiten zu können, statt sie durch Verbote zu reglementieren und so in gesellschaftlich intransparente Bereiche zu verschieben.

Zum Referenten: Prof. Dr. Felix Hanschmann ist Rechtswissenschaftler. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht, vertrat von 2017-2021 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Verfassungsrecht und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin und ist seit 2021 Inhaber des von der Dieter Hubertus Pawlik Stiftung geförderten Lehrstuhls Kritik des Rechts – Grundlagen und Praxis des demokratischen Rechtsstaats an der Bucerius Law School in Hamburg.

Von links oben nach rechts unten: Maximilian Schneider, Katrin Benzenberg, Gonca Monypenny, Anand Subramanian, Larissa Hesse

 

Tel: 030 – 3030 808 21
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