Der Lernort

7xjung bietet mit künstlerischen Mitteln ungewöhnliche Zugänge für Jugendliche zur aktiven Auseinandersetzung mit der NS-Zeit sowie zu Identität, Ausgrenzung und Zivilcourage heute.

Themen

In den Exponaten und Methoden des Lernorts von Gesicht Zeigen! möchten wir Kontinuitäten von Ausgrenzung vor und nach der Zeit des Nationalsozialismus anschaulich machen. Mit Blick in die Zeitgeschichte geht es uns darum, im Heute Engagement gegen Antisemitismus, Rassismus und jede Art von Diskriminierung zu fördern.

Ausgehend von persönlichen Erfahrungen junger Menschen beleuchten wir unterschiedliche Perspektiven. Mut, Solidarität und Widerstand können dazugehören, aber auch sich etwas nicht zu trauen oder nur zum eigenen Vorteil zu handeln.

In den Workshops mit Kindern und Jugendlichen beschäftigen wir uns vor diesem Hintergrund mit Fragen von Identität, Diversität und Zugehörigkeit im Alltag.

Wir haben mit einigen, insbesondere jüdischen und politisch engagierten Zeitzeug*innen der NS-Zeit über ihre Erfahrungen und ihre Flucht gesprochen und daraus Exponate entwickelt.

Einige Themen wie Einwanderung und Klassismus haben wir in der umgestalteten Ausstellung vertieft und neue Exponate geschaffen. Hier stehen Schwarze, Sinti* und Roma*, von Rassismus betroffene Menschen und Homosexuelle im Mittelpunkt.

Die Ausstellungsräume unterstützen das spielerische Lernen und Begreifen. Sie sind so inszeniert, dass sie Elemente von Alltagsorten aufgreifen, die Jugendliche kennen: im Sport, beim Ausgehen, Zuhause oder Draußen.

Entwurf und Herstellung von Ana Ion


Um allen ein gutes Ankommen am Lernort zu ermöglichen, wurde für 7xjung eigens eine Garderobe mit flexiblen Sitzmöbeln entworfen.


Der Raum bietet viel Platz für Bewegung während der Workshops und erzählt von Ausgrenzung und Zusammenhalt im Sport.
Wer gehört zum Team? Wer ist nicht dabei?

 


Bühne, Licht und Parkett eröffnen Raum für Show und Musik.
Wo kann ich mich zeigen, wie ich bin?

 

Gemälde von Ergül Cengiz


Auf Teppichen und Kissen vor dem »Paradise Land« lässt es sich gut denken und sprechen.
Wo bin ich zuhause? Wo kann ich mich entfalten?


Vor dem Hintergrundbild des Tiergartens mit Parkbänken und Graffiti geht es um den öffentlichen Raum.
Welche politischen Botschaften, welche Ausgrenzungen existieren und wie kann man sich darin positionieren?

 

Sitzelemente nach Design von Kerstin Stoll, Herstellung von Daniela Hirsch

Dieser Raum erinnert an die Konditorei Hansa gleich nebenan, deren jüdische Eigentümer sie 1937 unter Druck aufgeben mussten.
Wer kann was kaufen? Wer hat welche Chancen?

Aus der Recherche und nach Gesprächen mit Zeitzeug*innen haben wir eine Reihe von Exponaten entwickelt. Hier einige Beispiele:

 

RESISTdANCE 
Video von Gizem Aksu mit Estera Sara Stan

Der Boxer Johann Rukeli Trollmann wird 1933 Deutscher Meister. Die Nazis erkennen ihm aber den Titel ab, weil er Sinto ist. Aus Protest steigt er zu seinem letzten großen Boxkampf mit gebleichten Haaren und weiß gepuderter Haut in den Ring.

Für das Video tanzt Estera Sara Stan, eine Aktivistin gegen Rassismus an Sinti* und Roma*, im Kreuzberger »Johann Trollmann Boxcamp« eine Choreographie von Gizem Aksu. 

 


Olympia 
bearbeiteter Ausschnitt eines Aushangfotos für Kinos aus dem Film »Olympia – Fest der Schönheit« von Leni Riefenstahl (1938) 

15.000 Berliner Schüler bei einstudierten Gymnastik-Vorführungen zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin. 


Unterstützung
Illustrationen von Hélène Baum-Owoyele 
zu den Erinnerungen der Schwestern Doris und Erika Diek in Zusammenarbeit mit ihren Nachfahr*innen Abenaa und Roy Adomako 

Die Schwestern erzählen von ihrem Aufwachsen während der Zeit des Nationalsozialismus, von Rassismuserfahrungen in der Schulzeit, dem Verlust von Freundschaft und dem Halt in der eigenen Familie. 

 


Zerstörtes Zimmer
Installation

Mucki Koch und Robert Goldmann haben uns erzählt, wie die Wohnungen ihrer Familien zerstört wurden. Davon gibt es aber keine Fotos oder Filme. Um den Erlebnissen ein Bild zu geben, haben wir ein Zimmer neu eingerichtet und anschließend die Einrichtung zerstört. 

Mucki Koch erlebte als Mädchen 1933 in Köln, wie ihre kommunistische Familie terrorisiert wurde. Sie engagierte sich später selbst im Widerstand. Robert Goldmann erlebte als Jugendlicher die gewaltsamen Übergriffe auf seine jüdische Familie in Frankfurt am Main im November 1938. Er konnte danach mit seiner Familie in die USA fliehen.

 


Parkbänke
 

An den Bänken lassen sich abnehmbare Schilder anbringen. Zum einen Fotos, wie in der Nazizeit Bänke „Nur für Arier“ reserviert waren, als Teil der systematischen Verdrängung von jüdischen Menschen aus dem öffentlichen Leben. Zum anderen Fotos davon, wie rassistische Schmierereien entfernt werden.

OHNELAND 
Ausschnitt aus dem Film von Hatice Ayten von 1995 

In einem Interview erzählt eine Jugendliche von ihrem Umgang mit Rassismus in Deutschland und macht klar, dass sie trotzdem dazugehört. Sie reagiert dabei auf eine Reihe von rechten, rassistischen Anschlägen, Morden und Ausschreitungen in den 1990er Jahren, wie den Brandanschlag 1992 in Mölln.

 


Fasia Jansen 
Siebdrucke von Magda Korsinsky 

Fotos aus dem Archiv der Fasia-Jansen-Stiftung
Zeilen aus Fasia Jansens utopischem Lied »Freedom, Freiheit, Liberté« 

Mit 12 Jahren muss Fasia die Tanzschule verlassen, weil sie Schwarz ist. 1944, mit 15 Jahren, soll sie gefährliche Arbeit in einer Munitionsfabrik leisten. Ihre Familie erreicht, dass sie versetzt wird, und Fasia muss stattdessen in der Küche des KZ Neuengamme arbeiten. 
Nach dem Krieg vergisst Fasia das Erlebte nicht. Sie schreibt und singt Lieder gegen Unrecht und tritt bei vielen Protesten auf.

 


Pride

Sticker von Jakob Urban 

Die Sticker zeichnen Umrisse von Demonstrationen nach. In den 1920er Jahren blühte queeres Leben auf. In der Nazizeit wurden homophobe Gesetze verschärft, und erst ab den 1970ern gab es erste Demonstrationen für mehr Gleichberechtigung von Homosexuellen. 

 


4 Remix-Stationen 
mit 2 Sound-Sets: Swing und Hip-Hop 
von Norbert Lang, Sebastian Kunas und Sebastian Schlemminger 

Das Swing-Set erkundet das Leben der Swing-Jugend, die in der Nazizeit verfolgt wurde, und remixt Swing-Sounds mit ihren Erinnerungen. 
Das Hip-Hop-Set remixt einen antirassistischen Schlüsseltrack des frühen deutschsprachigen Hip-Hop  mit Zeilen von jüngeren Rapper*innen. 

Wir haben ein breites Spektrum an Materialien und Methoden, die wir auf die jeweilige Gruppe und Situation anpassen können. Zu den Exponaten und Räumen gibt es ganz unterschiedliche Ansätze: bewegungsorientiert, spielerisch, kreativ, persönlich, Inhalte vertiefend und reflektierend.

Hier eine kleine Auswahl:

Stempel und Aufkleber zu Identität, Inklusion und Diversität, entwickelt von KENDIKE

Workshop zu Fasia Jansen mit Plakaten zu eigenen politischen Forderungen

Material für eine Bewegungsübung zu Posen der Selbstbehauptung zu dem Video RESISTdANCE, gezeichnet von Isa Zappe

6-Felder-Spiel: Was ist dir wichtig?

Reflexion zu Selbst- und Fremdbild

Bewegung und Spiel zwischen den einzelnen, vertiefenden Modulen

Material zum kreativen Arbeiten

2022 bis 2025 haben wir den Lernort 7xjung von Gesicht Zeigen! neu konzipiert, renoviert und umgestaltet. Für die Finanzierung danken wir herzlich der LOTTO-Stiftung Berlin!

An der Umgestaltung des Lernorts 2022 bis 2025 haben mitgewirkt:

Sophia Oppermann – Projektsteuerung und Geschäftsführung
Jan Krebs – Projektleitung
Ricarda Disla – Leitung Finanzen und Marketing
Judith Boegner und Charlotte Popp – Projektmanagement
Clarissa Auer und Lina Brunkhorst – Projektverwaltung

Petra Schlie – Künstlerische Leitung
Destina Atasayar – Kulturpädagogische Mitarbeit
Friederike Lettow und Isa Zappe – Künstlerische Mitarbeit
Kerstin Stoll – freie künstlerische Mitarbeit
Bernhard Kerber und Adriaan Klein – freie Mitarbeit Medientechnik, Gestaltung und  Ausstellungsproduktion
Tim Stapel – freie Mitarbeit Ausstellungsproduktion
Gabi Altevers und Karla Detlefsen – Grafik

An der Ausstellungskonzeption 2010 haben darüber hinaus Simone Windeisen, Ralph Swinley, Dominique Hurth und Mirjam Dumont maßgeblich mitgearbeitet.

Außerdem haben viele freie Mitarbeiter*innen und weitere Kolleg*innen von Gesicht Zeigen! wichtige Impulse und Beiträge in zahlreichen Praxisfeldern eingebracht.

Das Umgestaltungsteam 2023


Seit 2010 schon finden an dem außerschulischen Lernort Workshops zu NS-Geschichte, Identität, Ausgrenzung und Zivilcourage statt. Seitdem haben unzählige Gruppen an unseren Workshops und Fortbildungen teilgenommen. Wir haben Lesungen und Podiumsdiskussionen veranstaltet, Fachtage und Konferenzen organisiert und internationale Gruppen empfangen.

Innerhalb der Demokratie- und Bildungsarbeit und auch innerhalb unserer Workshops hat sich in der Zeit viel verändert. Deshalb haben wir mit Blick auf aktuelle gesellschaftspolitische Debatten die Grundkonzeption des Lernorts 7xjung weiterentwickelt. Dabei haben wir uns den Fragestellungen gewidmet: Wo überschneiden sich Geschichte und Gegenwart? Wie werden historisch-politische Verflechtungen vermittelt? Was lernen wir von anderen Expert*innen? Ausstellungsbesuche und der Austausch mit Akteur*innen der Bildung, Vermittlung und Gestaltung gaben uns dabei wichtige Impulse und Inspiration bei unseren Recherchen.

 


In der Entwicklungsphase haben wir Jugendliche mehrerer Schulklassen und Altersstufen zu ihren Alltagsorten befragt und daraus Ideen für die Raumgestaltung abgeleitet.
In einem Partizipationsprojekt von Hannah Wahmes mit einer Klasse der Bergmannkiez-Gemeinschaftsschule hat Norbert Lang Audiostücke entwickelt, die in die Konzeption und die Themen der Workshoparbeit eingeflossen sind.

So haben wir den Lernort auch räumlich umgestaltet: Die Ausstellungsräume wurden renoviert und neu inszeniert, es gibt einen neuen Ankommensbereich, Raum für kreatives Arbeiten und eine zusätzliche, barrierefreie Toilette.